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OVG Niedersachsen
stärkt die Rechte der Bürger!
In einem Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 30. November 2005, AZ 10 PA 118/05, werden die Rechte der
Bürger gegenüber der GEZ und den Gebührenabteilungen der Rundfunkanstalten in
bahnbrechender Weise gestärkt! Das OVG hat sich in diesem Beschluss sehr ausführlich der folgenden drei Rechtsfragen angenommen: 1. Ist die Anmeldung von Rundfunkgeräten auf dem Anmeldebogen eines Gebührenbeauftragten überhaupt beweiskräftig? In dieser Frage stützt es im übrigen auch die Rechtsauffassung des VG Hamburg [s. Beweislasturteil]. 2. Handelt es sich bei der Einrede der Verjährung tatsächlich um eine "unzulässige Rechtsausübung", wie dies von einigen Gerichten (u.a. vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof) behauptet wird? 3. Können Gebührenbeauftragte, die auf reiner Provisionsbasis arbeiten und noch dazu Mindestvorgaben für Geräte-Anmeldungen sowie für Nachinkasso von den Anstalten erhalten, überhaupt verfassungsgemäß ihre Aufgabe rechtmäßig erfüllen? Das erfreuliche an diesem Beschluss ist nicht nur, dass es die Rechte der Bevölkerung gegenüber der Vorgehensweise bei der Gebühreneintreibung bzw. bei der "Gewinnung" neuer Rundfunkteilnehmer stärkt. Das Gericht hat darüber hinaus sehr gründlich recherchiert und seine Argumente durch Hinzuziehung unterschiedlicher Rechtsquellen bestandsfest gemacht. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Gründe, die das Gericht in dieser Sache formuliert hat, von mir kurz kommentiert und gegliedert nach den oben genannten drei Themenschwerpunkten. Den kompletten Gerichtsbeschluss können Sie unter folgender Adresse vom Niedersächsischen OVG herunterladen: http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000200500011810%20PA 1. Beweiskraft der Anmeldung Mein Kommentar Das Gericht sagt zur Anmeldung, dass selbst wenn der Bürger eigenhändig tatsächlich eine Anmeldung unterschreibt, habe diese keine ausreichende Beweiskraft. Unabhängig davon, ob es sich um eine "Öffentliche Urkunde" oder eine "Privaturkunde" handele. Selbst wenn das prüfende Gericht lediglich zu dem Schluss komme, dass Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der Urkunde bestünden, sei die Beweiskraft der Urkunde damit hinfällig. Der Bürger brauche dagegen nicht beweisen, dass der Inhalt unwahr ist. Die Beweislast liege dann wieder bei der Rundfunkanstalt. In letzter Zeit häufen sich bei mir Fälle, in denen eine Anmeldung zwangsweise und oft Jahre rückwirkend durch die alleinige Unterschrift eines Rundfunkgebührenbeauftragten gegen den Widerstand des Bürgers erfolgt [Beispiel siehe "Fitnass-Fall"]. Da selbst die vom Bürger unterschriebenen Anmeldungen aber schon keine endgültige Beweiskraft haben, um wie viel geringer ist dann eine Zwangsanmeldung ohne die Unterschrift des Bürgers einzuschätzen? - Sie ist schlicht nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde! Aus den Gründen des OVG: "... Dies folgt daraus, dass unabhängig von der - vom Verwaltungsgericht [Anmerkung: die Vorinstanz in gleicher Angelegenheit] umfassend aufgearbeiteten - Frage, ob es sich bei der von der Klägerin unterzeichneten "Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten" um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO oder um eine Privaturkunde gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 416 ZPO handelt, diese den vollen Beweis nur darüber erbringt, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen abgegeben worden sind; ihre Beweiskraft erstreckt sich demgegenüber nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Erklärungen (OVG Münster, Beschl. v. 9.9.2004, - 19 A 2556/03 -, NJW 2004, 3505)." "...Die hier streitige Frage, ob die Klägerin Rundfunkteilnehmerin war, ist demgegenüber eine solche des materiellen Rechts, gegebenenfalls auch eine solche der Beweislast. Auch die Beweislast ist dem materiellen Recht zuzuordnen, da Beweislastregel und materieller Rechtssatz aufs engste miteinander verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211). Deshalb hat ein Gläubiger die streitigen Entstehungsvoraussetzungen seines Anspruchs sogar dann zu beweisen, wenn sich der Schuldner wegen dieses Anspruchs in notarieller Urkunde der Zwangsvollstreckung unterworfen hat (BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211). Für den Beweis des Anspruchs auf Rundfunkgebühren bei vorheriger Abgabe einer formellen Erklärung kann nichts anderes gelten." "...Bestehen derartige Anhaltspunkte [Anmerkung: Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit], so kann das - formelle - Zeugnis des Erklärenden gegen sich selbst durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden. Dieser ist bereits dann geführt, wenn die Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache erschüttert wird; dass sie als unwahr erwiesen wird, ist nicht nötig (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211)." "...dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin nicht auszuschließen ist, dass im Einzelfall der Rundfunkgebührenbeauftragte auf Grund seiner finanziellen Beteiligung an der Beitreibung rückständiger Gebühren durch Provisionen (vgl. zur vertraglichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Rundfunkbeauftragtem und Rundfunkanstalt und zur Höhe der Provisionen BAG, Urteil vom 15. Februar 2005, - 9 AZR 51/04 -, AP 00 Nr. 6 zu 12 a TVG; Urteil vom 26. Mai 1999, - 5 AZR 469/98, AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit) ein erhebliches Eigeninteresse an der Abgabe auch inhaltlich zweifelhafter, ihn aber wirtschaftlich begünstigender Erklärungen haben kann." "...Denn die materielle Beweislast dafür, dass die Klägerin selbst Rundfunkteilnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum war, trägt der den Anspruch behauptende Beklagte, ohne dass eine Pflicht der Klägerin ersichtlich wäre, insoweit Beweise aus der Sphäre eines Dritten - ihres Vaters - anzubieten." 2. Verjährung von Rundfunkgebühren Mein Kommentar Im RfGebStV alter Fassung (gültig bis 3/2005) hieß es zur Verjährung von Rundfunkgebühren in § 4 Abs. 4: "Der Anspruch auf Rundfunkgebühren verjährt in vier Jahren." (Diese Fassung war für die Entscheidung grundlegend.) Nach der bisherigen Rechtssprechung wurde die Inanspruchnahme (sog. Einrede) der Verjährung jedoch wegen "unzulässiger Rechtsausübung" nicht anerkannt. Diese Unzulässigkeit brauchte noch nicht einmal bewiesen werden, da die Beweisführung für die Rundfunkanstalten wegen des "Massenverfahrens" zu aufwendig wäre. Folge: Die GEZ konnte bisher praktisch unbegrenzt Gebühren nachfordern. Der neue OVG-Beschluss zweifelt diese Rechtsauffassung jedoch an und begründet umfassend, warum die Einrede der Verjährung nur in ganz bestimmten Fällen als unzulässig gewertet werden darf. Aus den Gründen des OVG "...Grundsätzlich kommt bei der Anwendung von Verjährungsvorschriften dem Wortlaut des Gesetzes besondere Bedeutung zu. Da der Rechtsverkehr klare Verhältnisse erfordert und die Vorschriften über die Verjährung, welche dazu dienen, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden sowie Verkehrssicherheit herbeizuführen (Schmidt-Räntsch, in: Ermann, BGB, 11. Auflage Köln 2004, vor § 194 Rn. 2), dementsprechend eine formale Regelung enthalten, ist es grundsätzlich geboten, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten (BGH, Urteil vom 1. März 2005, - VI ZR 101/04 -, NJW-RR 2005, 1044-1048 m.w.N.)." "...Der Verpflichtete muss aber im Sinne eines Handelns etwas getan haben; ein bloßes Unterlassen kann das Unwerturteil nicht rechtfertigen (von Feldmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auflage München 1984, § 194 Rn. 11). Bloßes Ausweichen, Ablenken oder Schweigen rechtfertigt daher das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2001, - 2 OA 3485/01 -, juris; BGH, Urteil vom 21. Januar 1988, - IX ZR 65/87 -, NJW 1988, 2245); der Schuldner muss die Verjährung zumindest durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mitverursacht haben (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 64. Auflage, München 2005, vor § 194 Rn. 21)." "...Dass und aus welchen Gründen für die Nichterfüllung der rundfunkgebührenrechtliche Anmeldepflicht des § 3 Abs. 1 RGebStV, die ebenfalls ein bloßes Schweigen darstellt, etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich." "...Auch bei sogenannten Massenverfahren verbleibt es vielmehr bei der - aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Art. 20 GG folgenden (Stelkens, Verwaltungsgerichtsbarkeit - Gerichtsbarkeit ohne Verwaltung ?, NVwZ 1982, 81, 83) - Grundregelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 NdsVwVfG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt." "...Die Abkürzung der Verjährung von Ansprüchen auf Rückstände regelmäßig wiederkehrender Leistungen beruht auf den Erwägungen, dass Geschäfte des täglichen Verkehrs in der Regel nicht längere Zeit im Gedächtnis der Beteiligten gegenwärtig bleiben, dass in kurzer Zeit eine Verdunkelung des Sachverhältnisses eintritt, dass der Schuldner nicht nach einer Reihe von Jahren wegen Forderungen in Anspruch genommen werden kann, die vermutlich gezahlt sind, über deren Bezahlung aber ein Nachweis nicht vorhanden ist..." "...Ferner sollen Leistungen, die ihrer Natur nach nicht aus dem Kapitalvermögen des Schuldners, sondern aus seinen regelmäßigen Einkünften zu tilgen sind, nicht zu einer solchen Höhe anwachsen, dass sie schließlich einen Betrag erreichen, dessen Aufbringung in einer Summe dem Schuldner immer schwerer fällt bzw. ihn sogar wirtschaftlich gefährden kann (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. Februar 2005, - 2 L 66/03 -, juris; BVerwG, Urteil vom 31.10.2001, - BVerwG 2 C 61.00 -, BVerwGE 115, 218 ff)." 3. Rechtmäßigkeit privater Gebührenbeauftragter Mein Kommentar Gebührenbeauftragte arbeiten allein auf Provisionsbasis. Sie erhalten für Nachzahlungen runde 50% Provision inkl. aller Sonderzulagen. Dies bedeutet für "gute" Eintreiber bis zu über 25.000 Euro Monatsverdienst. Der NDR beispielsweise bestimmt darüber hinaus für seine Beauftragten Mindestergebnisse. Diese betrugen 1997: 250.000,- DM Nachinkasso und anzumeldende Geräte von 2.500 bis 3.000 Einheiten [näheres siehe hier]. Dass mit diesem Prinzip keine rechtmäßigen Verwaltungsakte zustande kommen können, dürfte für jeden klar sein. Trotzdem wurde diese Praxis bisher noch von keinem deutschen Gericht gekippt. Der vorliegende Beschluss beinhaltet hierfür auch keine abschließende Beurteilung, das Gericht wirft dieses Problem allerdings nachdrücklich als zu klärende Frage auf. Aus dem OVG-Beschluss "Ob und inwieweit die Einschaltung Privater in ein öffentlich-rechtlich ausgestaltetes Verwaltungsverfahren und noch dazu auf Provisionsbasis möglich ist, ist in der Rechtsprechung ebenfalls ungeklärt. Mangels Vorliegens einer Übertragung von Hoheitsrechten auf den Rundfunkgebührenbeauftragten durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch konkreten Beleihungsakt (zu diesen Anforderungen Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Mai 2004, - 11 LC 116/02 -, NordÖR 2005, 43) dürfte dieser nicht anders als ein BSE-Untersuchungslabor (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004, - II ZR 169/04 -, BGHZ 161, 6-14 m.w.N.), ein Abschleppunternehmer oder ein Parkraumüberwachungsunternehmer (KG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 1996, - 2 Ss 1717/96 -, VD 1997, 11-19) bloßer Verwaltungshelfer und damit Privater sein. Soweit in der Satzung des Beklagten Regelungen über Rundfunkgebührenbeauftragte enthalten sind, stellen diese keine "gesetzliche" Regelung als Voraussetzung einer Beleihung dar. Ob das zum Tätigkeitsbereich eines Rundfunkgebührenbeauftragten gehörende "Vornehmen bisher versäumter Anmeldungen" (http://www.ndr.de/info/stellenangebote/freigeb.html) im Zusammenspiel mit den in Aussicht gestellten "attraktiven Einnahmen auf Provisionsbasis" in freiberuflicher Tätigkeit (ebenda) - auch unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 4 GG - mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Gebühreneinzugsverfahrens vereinbar ist, bedürfte gegebenenfalls weiterer Klärung in einem Hauptsacheverfahren." Hier können Sie den kompletten OVG
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